Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen

In diesem Beitrag stellt Jonas Fregien folgenden Text vor:

Märker, Alfredo / Wagner, Beate (2005): Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen; in: Aus Politik und Zeitgeschichte 22/2005, online unter: https://www.bpb.de/apuz/29015/vom-voelkerbund-zu-den-vereinten-nationen?p=all.

Die Autoren stellen in den einleitenden Worten die Reformbemühungen 2005 und allgemeine Probleme der Vereinten Nationen des 21. Jahrhunderts in den Mittelpunkt. Die Vereinten Nationen wandeln schon immer zwischen der Beschwörung eines möglichen Falls, ähnlich wie beim Völkerbund, und einer Renaissance der Entwicklung. Die Autoren nehmen in diesem Artikel die Gemeinsamkeiten und Unterschiede unter die Lupe, indem sie zeithistorisch den Weg vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen skizzieren. Für sie spielen die USA in den Bemühungen, eine Weltorganisation zu etablieren, eine wesentliche und zwiespältige Rolle, die im Folgenden auch im Fokus des Beitrags stehen.

Gründung und Scheitern des Völkerbundes

Der Text beschreibt gleich am Anfang, dass eine der Schwächen im Bildungsprozess „das gespaltene Verhältnis der USA zum Prinzip kollektiver Sicherheit insgesamt“ war. Das Verhältnis verwundert nicht: Sind doch die Freiheitsideale kaum mit einem supranationalen System vereinbar, in dem die USA Kontrolle und Macht verlieren würden.

Der Aufsatz unterteilt die Gründung des Völkerbundes in eine philosophische Sichtweise, in der hauptsächlich europäische Denker wie William Penn und Abbé de Saint-Pierre eine Rolle spielen. Jedoch war es Immanuel Kant, der den Begriff und die Idee von einem „Bund gleichberechtigter Staaten“ formulierte.

Realpolitisch wird die Entstehung des Völkerbundes hauptsächlich durch den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg attestiert. Ihnen sei aufgrund ihrer Position die Notwendigkeit zugefallen, „Grundsätze für eine neue Staatenordnung zu entwickeln“. Der damalige Präsident Woodrow Wilson führte diesbezüglich Gedanken aus; seine Bemühungen blieben in der Heimat jedoch angesichts des Spannungsverhältnisses im Rahmen: Am 28. April 1919 trat die Völkerbundsatzung der 32 Siegerstaaten ohne die Zustimmung der USA in Kraft.

Für die Autoren sind die Errungenschaften des Völkerbundes trotz anfänglicher Begeisterung der Unterzeichnenden eher technischer Natur, weil die Konfliktschlichtung zwar in kleineren Streitfällen (z.B. Spitzbergen 1920) Erfolge verzeichnete, der Völkerbund aber in größeren Krisen keine Rolle spielte (z.B. Sudetenkrise 1938). Dieser „technische[...] Bereich“ äußerte sich zum Beispiel bei internationalen Problemen wie der Hungerbekämpfung, der Migration und der „Etablierung einer Beamtenschaft mit supranationalem Beamtenethos“. Diese Vorleistungen bringen den Vereinten Nationen später Vorteile.

Der Text fasst im Folgenden die größten Fehler des Völkerbundes, aus denen gelernt wurde, so zusammen: Der Völkerbund besaß keine Macht, Resolutionen durchsetzen zu können. Krieg galt im Bund als anerkannte Lösung für Konflikte. Die fehlende Einbindung aller Staaten unterminierte die Fähigkeit, global handeln zu können. So sei „in seiner Hochphase gerade zwei Drittel der damaligen Staatenwelt“ (S. 2) Mitglied gewesen. Der Völkerbund musste handlungsunfähig den Beginn des Zweiten Weltkriegs mitansehen: Deutschland, Japan und Italien hatten den Völkerbund 1934 wieder verlassen.

Trotz der Kritik am Völkerbund konstatieren die Autoren dem Konstrukt ein positives Selbstbild. Ohne diese Vorarbeit, die in vielfältiger Weise einzigartig gewesen war, wäre es nicht möglich gewesen, die Vereinten Nationen zu gründen. Am 18. April 1946 wurde der Völkerbund aufgelöst.

Gründung und Entwicklung der VN

Niemand erfand die VN. Sie erwuchs vielmehr aus dem Völkerbund und seinen Lehren sowie aus der einzigartigen Lage am Ende des Zweiten Weltkriegs. Wieder fällt den USA eine besondere Rolle in der Entstehungsgeschichte zu: Präsident Franklin Delano Roosevelt forderte 1937 in einer berühmten Rede das Ende der Isolierungspolitik der USA und eine globale Wertegemeinschaft. Bereits vor Kriegseintritt in den Zweiten Weltkrieg formulierte Roosevelt die Idee einer Weltorganisation, die vom britischen Empire und den USA geführt werden sollte.

1941 revidierte man die Meinung, dass der Westen alleine einen Führungsanspruch erheben konnte, und es wurde erkannt, dass für einen globalen Frieden die Sowjetunion (u.a.) einbezogen werden müsse. 26 Staaten unterzeichneten 1942 die ‚Erklärung der Vereinten Nationen‘. Intensive Konsultationen folgten, bis 1945 auf Jalta die berühmte Veto-Regel beschlossen wurde. Der amerikanische Senat stimmte mit nur zwei Gegenstimmen dafür. Die Gelingensbedingungen sind laut der Autoren die Einhaltung der Souveränität und Gleichheit aller Staaten sowie die Einführung des Veto-Rechts für die Großmächte und die Ausrichtung der Charta auf die Menschen dieser Welt („We the peoples …“).

Die Entwicklung der VN kennt Höhen und Tiefen. Als Schlüsselakteur sind die VN unter anderem in der Dekolonisierung, der Erarbeitung der Menschenrechte und in der Schaffung eines Dialogfelds zwischen dem Norden und Süden zu nennen. Als „Schattenseiten“ nennt der Text die Probleme im Kalten Krieg, die sich zum Beispiel in Blockaden im Sicherheitsrat äußerten, und Finanzierungsschwierigkeiten, die durch die Zahlungsunwilligkeit der USA die Institution nachhaltig zu lähmen drohte. Als „Desaster“, die die Vereinten Nationen zurecht in Misskredit brachten, bezeichnen die Autoren die Vorgänge in Ruanda und Somalia, ohne näher darauf einzugehen. Dadurch sei lange vor dem Irakkrieg auf drängende Probleme und der Frage nach Glaubwürdigkeit hingewiesen worden.

Zukunftsperspektiven

Die hier benannten Zukunftsperspektiven können aufgrund des sechzehn Jahre zurückliegenden Artikels auf wenige Aspekte begrenzt werden. Die Probleme, die im Jahr 2021 immer noch bestehen, sind bereits 2005 von den Autoren aufgelistet worden und scheinen keine große Weiterentwicklung erfahren zu haben: Sozusagen tagesaktuell beschreibt der Text die Notwendigkeit zur größeren Reform der VN auf Basis der neuen Herausforderungen, die Terrorismus und die schwierige Rolle der USA mit dem Vorwurf der „Irrelevanz“ einschließen.

Für die Autoren ergibt sich nur ein Ausweg aus dem Sicherheitsdilemma und zwar über eine vertiefte internationale Zusammenarbeit. Zum Schluss heben die Autoren hervor, dass ein Untergang der Vereinten Nationen einen großen Schritt zurück in die Anarchie des Staatensystems und ein Rückschritt für die Menschenrechte bedeuten würde.

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