UN-Gründungskonferenz in San Francisco

In diesem Beitrag stellt Philipp Soos folgenden Text vor:

Frank Kaltofen (2015): Die schwere Geburt einer Weltorganisation. Ein Blick auf die Gründungskonferenz in San Francisco; in: Vereinte Nationen 5/2015, S. 201-206, online unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/suche/zvn/artikel/die-schwere-geburt-einer-weltorganisation/.

Für viele ist die Charta der Vereinten Nationen wohl der wichtigste internationale Vertrag, den es je gab. Der Weg dahin war aber sehr steinig, wurde aber von bereits vorhandenen internationalen Strukturen unterstützt. Dieser steinige Weg mündete schlussendlich in die Konferenz von San Francisco, welche 2 Monate lang, vom 25. April 1945 – 26. Juni 1945, andauerte. Der gewählte Artikel von Frank Kaltofen betrachtet den Prozess der Konferenz genauer und bietet damit Einblicke in die Zwickmühlen und Stolpersteine.

1941 wurde die Atlantik-Charta von den USA und Großbritannien verabschiedet für einen Weg zu einer besseren Zukunft der Welt. 1942 wurde die Erklärung Vereinter Nationen verabschiedet. Hier verbündeten sich 26 Staaten zum Kampf gegen Deutschland und dessen Verbündeten. Zudem gab es noch die Moskauer Erklärung der Außenminister und die Konferenz von Dumbarton Oaks. All diese Konferenzen und Erklärungen ebneten den Weg zur UN-Charta, welche im Gegensatz zum Vorgänger, dem Völkerbund, die USA bei der Nachkriegsordnung beteiligte.

Vor der Konferenz in San Francisco gab es zusätzlich noch mehrere Gipfeltreffen zwischen den USA, Großbritannien und Russland, bei denen bereits viele Kompromisse ausgehandelt wurden. Man beachte, dass dies drei der fünf Vetomächte sind. Ohne Zugeständnisse und Kompromisse wäre dieses kollektive Handeln wohl kaum möglich gewesen. Die westliche Seite erhoffte sich durch die Kompromisse, mehr Kontrolle über Stalin zu bekommen, währenddessen dieser verlangte, dass alle 16 Sowjetrepubliken als eigenständige Mitglieder eingebunden werden. Grund dafür ist wohl die starke westliche Konfrontation in der UN, die Stalin fürchtete. Hier wollte er vorsorglich dagegenwirken. Stalin brachte auch ein, dass jeder Staat exakt eine Stimme hat. Dieses Thema konnte erst nach einer langen Zeit im Februar 1945 ad acta gelegt werden.

Zu Beginn der Verhandlungen im April 1945 kam es dann zu einem kritischen Zwischenfall. Der Präsident der USA, Roosevelt, verstarb. Dieser hatte Russland vertraulich zugesagt, dass Belarus und die Ukraine als eigenständige Mitglieder bei der UN teilnehmen können. Russland drängte dementsprechend auch darauf. Amerika sah das zwar nicht so, konnte aber auf das Mitwirken von Russland nicht verzichten. Die lateinamerikanischen Staaten drängten aber dazu, dass Argentinien dafür auch einen Platz in der UN bekommt. Diese waren aus Kriegsgründen noch nicht in die UN aufgenommen worden. Diesmal wollte aber Russland im Gegenzug Polen dabeihaben, dessen Regierungsbildung zu dem Zeitpunkt zwischen den drei großen Mächten Großbritannien, Russland und USA stark umstritten war. Schlussendlich fand man keine Einigung und der Tauschhandel wurde nicht komplett durchgeführt. Polen durfte (zunächst) nicht teilnehmen, dafür Belarus und die Ukraine sowie Argentinien.

Nach dem Geplänkel über die Teilnahme verschiedener Staaten kam es zum nächsten kritischen Moment. Man befürchtete, dass die Hauptmächte ihre Sicherheit nicht in eine unerprobte internationale Organisation legen werden. So wollten auch die kleinen Regionen als Bündnisse dagegenhalten. Man konnte befürchten, dass die Weltorganisation, durchsät von Ausnahmen und kleinen Bündnissen, an Bedeutung verliert beziehungsweise sogar überflüssig wird. Durch kleinteilige Verhandlungen kam man dann aber zur Übereinstimmung auf die Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat eingreift.

Als größtes und kontroversestes Thema kam dann der Streit um das Vetorecht. Hier protestierten die anderen Staaten vehement gegen die Vormachtstellung der Permanent 5. Man legte diesen also ein Fragenkatalog vor, um die gemeinsame Linie der P5 zu erfragen. Hierbei kam es zu Unstimmigkeiten, da Russland das Veto auch in aufkommenden Debatten bereits nutzen wollte, damit mögliche Ereignisketten nicht auftreten können. Erst durch den direkten Dialog mit Stalin, der dies als Nichtigkeit abtat, kam es zu einem Durchbruch und einer gemeinsamen Linie.

Die letzte Hürde war dann noch das Zugeständnis der Vetomächte an die anderen Staaten, dass diese in der Generalversammlung alle Angelegenheiten der internationalen Beziehungen diskutieren können. In Dumbarton Oaks war noch vorgesehen, dass die Generalversammlung nur über die Themen Frieden und Sicherheit reden dürfte. Russland echauffierte sich über diese Änderung und wollte dem nicht zustimmen. Allerdings war dieses Zugeständnis nach dem Erreichen des Ziels Vetomacht nicht mehr abzutun. So konnte der russische Verhandlungspartner am Ende doch dazu gebracht werden, dem zuzustimmen. Kurz darauf kam es dann zur Ratifizierung der Charta!

Schon zwei Jahre nach der Ratifizierung kam es wieder zu einer Diskussion über die Vetomächte, da das Veto zu exzessiv genutzt wurde. Man bat die Vetomächte, erst nach Kompromissen zu suchen, und sollten diese nicht erreicht werden, nur ihr Veto zu benutzen, sollten Kerninteressen einer dieser Mächte verletzt worden sein. Dies war allerdings nicht von Erfolg gekrönt. Allein die Sowjetunion nutzte das Veto in den ersten sechs Jahren mehr als 40 Mal.

1955 kam es dann erstmals zum Durchbruch, dass sich die USA und die Sowjetunion bei der Aufnahme neuer Mitglieder entgegenkamen. In den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten stieg die Anzahl an Mitgliedern stark an und die Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung kippten. Vor allem die Zunahme an afrikanischen Ländern führte dazu, dass es zu einer Einigung kam, dass der Sicherheitsrat von 11 auf 15 Mitgliedern aufgestockt wird, damit die neuen Länder und Regionen besser vertreten sind. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts konnten zudem weitere Zugeständnisse gemacht werden und die Blockade durch den Sicherheitsrat ist nicht mehr so stark wie zuvor.

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