Reform der Vereinten Nationen

In diesem Beitrag stellt Svenja Epple folgenden Text vor:

Paschke, Karl Theodor (2005): UN-Reform – die unendliche Geschichte; in: Vereinte Nationen 5/2005, S. 170–173, online unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/suche/zvn/artikel/un-reform-die-unendliche-geschichte/.

Mit Reform meint man Aufbruch, eine Erneuerung sowie Verbesserung. Eine Reform steht somit für eine Weiterentwicklung, etwas, das alle Beteiligten ihrem Ziel ein Stück näher bringt. Vielleicht auch eine Optimierung der Arbeitsprozesse. Warum genau dies in den Vereinten Nationen nur unter größter Kraftanstrengung möglich ist und seit den Jahren ihrer Gründung kontinuierlich scheitert, analysiert Karl Theodor Paschke in seinem Artikel „UN-Reform – die unendliche Geschichte“. Die Vereinten Nationen spiegeln in ihrem Aufbau und der Regelung ihrer Abläufe den Ausgang des Zweiten Weltkriegs wider. Dass dies den Machtverhältnissen der heutigen internationalen politischen Landschaft nicht mehr gerecht werden kann, ist selbsterklärend.

Grund dafür sind nicht fehlende Reformvorschläge. Bereits im Herbst 1995, anlässlich des 50. Jahrestags der Vereinten Nationen, legten in New York verschiedene Expertenkommissionen plausible und bis ins Detail ausgearbeitete Reformvorschläge vor. Sie definierten umsetzbare Maßnahmen und realistische Ziele, um die Lösung „offensichtlicher Probleme des UN-Systems“ (S. 170) voranzutreiben. Auch die angereisten Spitzenpolitiker verwiesen auf die Bedeutung der Vereinten Nationen und versicherten, Reformen zu fordern und diese auch zu unterstützen. Doch was ist dann mit diesen Reformvorschlägen passiert, wenn sich seit der Gründung im formellen Aufbau beinahe nichts verändert hat? Tatsächlich nichts. Dies war nicht der erste Zeitpunkt mit Forderungen nach Veränderungen und Weiterentwicklung, sondern der Ruf nach Reformen ist bereits „so alt wie die Organisation selbst, eine wahrhaft unendliche Geschichte“ (S. 170). Warum sich die Vereinten Nationen als so reformresistent erweisen, ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen.

Das „aufgeklärt[e] multilaterale[…] Handeln“ (S. 170) ist in der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen bis heute noch zu schwach ausgebildet. Multilateralismus ist kennzeichnend für die zunehmend interdependente Welt und meint die vereinte Suche nach Lösungen für Probleme die Staatengemeinschaft betreffend. Es zeichnet sich durch das Zusammenwirken gleichberechtigter Staaten aus und spiegelt sich in einer Konsenssuche wider. Diese kann jedoch nur erfolgreich abgeschlossen werden, wenn alle Staaten dazu bereit sind, Kompromisse einzugehen. Damit geht einher, nationale Interessen hintenanzustellen. Diese Bereitschaft, auf seinen nationalen Egoismus zu verzichten, bezeichnet der Autor als aufgeklärtes multilaterales Handeln. Da sich keiner der Mitgliedstaaten an diesem Punkt befindet, sind Entscheidungsprozesse langwierig und für die Beteiligten häufig nicht zufriedenstellend. So wird letztendlich immer am Status quo festgehalten.

Als Motor für mögliche Reformen fungiert seit jeher der Generalsekretär der Vereinten Nationen. So wurde zunächst auf dessen Rat eine Arbeitsgruppe für eine Sicherheitsratsreform gegründet, welche jedoch nichts erreichen konnte, und einige Jahre später im September 2000 der Millenniums-Gipfel veranstaltet. Dieses Treffen basierte alleine auf dem Engagement des Generalsekretärs und macht die Realität deutlich, in der die Welt noch immer stärker von Antagonismen als von Gemeinsamkeiten geleitet wird. Auch hier verhallten die Forderungen nach Reformen im Nichts. Selbst dann, als eine Analyse der Herausforderungen und Bedrohungen für die Staatengemeinschaft im neuen Jahrtausend klar eine Stärkung der Weltorganisation als Lösung dieser globalen Probleme fordert. Letztendlich wies auch der Generalsekretär im Frühjahr 2005 nochmals auf die Dringlichkeit einer Reform hin.

Unumstritten sind besonders die Reformen des Sicherheitsrates. Er spiegelt mit seinen fünf ständigen Mitgliedern noch immer die Welt von 1945 wider und repräsentiert nicht die Zusammensetzung der heutigen. Die Mehrheit der UN-Mitglieder unterstützt deshalb eine Veränderung oder Vergrößerung. Wie diese letztendlich jedoch aussehen soll, darüber herrscht auch zwischen den Nationen kein Konsens und es kommt zu Rivalitäten zwischen einzelnen Nationen. Auch wenn sich die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates an Reformdiskussionen beteiligen, hat selbstverständlich keine der fünf Nationen ein Interesse daran, tatsächlich etwas zu verändern. Denn jede Veränderung bedeutet für sie ein Verlust von Privilegien, den sie nicht einfach hinnehmen werden.

Die USA kommuniziert diese Einstellung offen nach außen und macht auch deutlich, dass sie die UN nur dann nutzen werden, wenn es in ihrem eigenen Interesse liegt. Problematisch ist hierbei, dass zwischen der UN und der USA eine wechselseitige Abhängigkeit herrscht. So können die USA als unabdingbares Mitglied großen Druck auf die Organisation ausüben und ihren Handlungsspielraum ausbauen und folglich eigene Interessen stärker durchsetzen als andere Nationen. Solange die USA als Supermacht den höchsten Beitrag für die Vereinten Nationen bezahlt, werden Reformvorschläge immer mit der Androhung der Betragskürzung abgeschmettert werden können. Ob eine Reform gelingt oder nicht, hängt demzufolge in großem Maße von dem Willen der amerikanischen Politiker ab.

Die Vereinten Nationen haben somit vielmals ihre Chance verpasst, den Vorwürfen, sie „sei wenig effizient, bewirke wenig und koste zu viel“ (S. 173) entgegenzutreten und ihre eigene Entwicklung in die Hand zu nehmen. Es sind dabei vor allem die Mitgliedstaaten, allen voran der Sicherheitsrat, dem die Verantwortung dafür gegeben werden muss. An ihrem Egoismus und dem Bedürfnis, nationale Interessen vor internationale Interessen zu stellen, wird sich bei den Staaten so schnell nichts ändern. Für die Zukunft lässt sich nur hoffen, dass eine „globale Bewußtseinsänderung“ (S. 173) eintritt, was die tatsächlichen Leistungen der Vereinten Nationen betrifft. Die einzelnen Nationen müssen würdigen, was die UN täglich zur Lösung von globalen Problemen und internationalen Regelungen beiträgt, und erkennen, dass diese Organisation aus dem heutigen Weltgeschehen nicht mehr wegzudenken ist. Zudem muss es zu einem besseren Vertrauensverhältnis zwischen den Nationen kommen, da dies letztendlich der einzige Weg ist, diese wichtige Weltorganisation zu modernisieren.

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