Entstehung der Vereinten Nationen: Einflussfaktoren

In diesem Beitrag stellt Judith Seßler folgenden Text vor:

Wesel, Reinhard (2019): Die UNO: Aufgaben und Arbeitsweisen, UVK Verlag, Kapitel 3: "Entstehung und Entwicklung der Organisation der 'Vereinten Nationen'".

„So alt wie die Menschheit ist der Krieg – ebenso alt ist der Traum von Frieden in der Welt“ (S. 39). Dieses Zitat macht deutlich, dass die Idee der Vereinten Nationen keine neue ist. Vielmehr sehnt sich die Menschheit schon immer nach einem friedlichen Zusammenleben und gleichzeitig ist sie nie in der Lage gewesen, dieses vollständig zu verwirklichen.

Reinhard Wesel setzt sich in seinem Buch mit der Entstehungsgeschichte und Entwicklung der Vereinten Nationen auseinander. Er stellt dabei fest, dass es bereits in der Antike und im Mittelalter Ideen zur Sicherung von Frieden gab. Diese Ideen waren allerdings noch nicht sonderlich erfolgreich. Mithilfe von Militärbündnissen sollte der Krieg mit Kriegsbereitschaft kontrolliert werden. Dieses Verhalten hatte in der Regel gegenteilige Auswirkungen zur Folge. Dennoch gab es auch friedlichere Ideen, wie die des Mönchs Engelbert von Admont, der im 14. Jahrhundert die Idee eines Weltstaates entwarf, der mithilfe einer Weltregierung den Frieden sichern sollte.

Eine entscheidende Auswirkung auf die Sicherung des Friedens in der Welt hatte das Vertragswerk des „Westfälischen Friedens“ von 1648. In der Folge kam es zur Etablierung der Nationalstaaten und damit zum Grundsatz von deren souveräner Gleichheit. Eine Idee wie die des Mönchs Engelbert von Admont wurde damit hinfällig. Es würde keine übergeordnete Macht geben, die den Frieden sichert. Viel mehr musste eine Idee gefunden werden, die eine friedliche Koexistenz aller souveränen Staaten ermöglicht.

Solche Vorschläge im Sinne einer internationalen Gemeinschaft kamen schließlich unter anderem von Philosophen wie Jean-Jaques Rousseau oder Immanuel Kant, die bis heute Einfluss auf die internationalen Beziehungen haben. Das Werk Immanuel Kants „Zum ewigen Frieden“ wird selbst heute gerne als Argumentationsgrundlage genutzt (vgl. S. 40). Darin finden sich wichtige Zitate wie z.B. „Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines anderen Staates gewalttätig einmischen“, das stark an das Nichteinmischungsgebot der Vereinten Nationen erinnert.

Einen weiteren und ganz entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Vereinten Nationen hatte die Entstehung funktionsspezifischer internationaler Organisationen. Die rasante naturwissenschaftlich-technische Entwicklung zwang die Industriestaaten zur Kooperation. Ein besonders zur heutigen Zeit wichtiges Beispiel ist hier der Zusammenschluss der einzelnen Wetterdienstleiter. Wetter war und wird immer ein über Staatsgrenzen hinausgehendes Phänomen sein. Diese zunächst unabhängige Organisation ist mittlerweile eine der Sonderorganisationen der UNO (vgl. S. 41).

Den größten Einfluss auf die Entwicklung der Vereinten Nationen hatte allerdings der Erste Weltkrieg. Aus den Erfahrungen dieses Krieges heraus entstand die Idee des Völkerbundes als einer Organisation, die nicht nur den Frieden sichern sollte, sondern die Beseitigung aller internationaler Probleme zum Ziel hatte. Der Völkerbund hatte bei seiner Gründung 42 Mitglieder. Seine Organe beeinflussten entscheidend die Struktur der Vereinten Nationen. So gab es die Bundesversammlung, den Exekutiv-Ausschuss, das Sekretariat, einige Nebenorgane und einen Gerichtshof (vgl. S. 42f.).

Der Frieden sollte vor allem durch Abrüstung gewährleistet werden. Durch das Prinzip der kollektiven Sicherheit, das auch in den Vereinten Nationen Anwendung findet, sollte eine Abrüstung überhaupt möglich sein. Diese kollektive Sicherheit konnte allerdings nicht gewährleistet werden, da einige sehr wichtige Staaten dem Völkerbund nicht (USA) oder erst sehr spät (Russland) beitraten. Ein wichtiges Ziel bei der Entwicklung der Vereinten Nationen war daher, diese Staaten für die Vereinten Nationen zu gewinnen. Dies gelang schließlich vor allem über das „Vorrecht für Großmächte“, das heute oftmals heftig diskutiert wird.

Darüber hinaus gab es noch viele weitere Probleme, die dazu führten, dass der Völkerbund 1946 aufgelöst wurde. So fehlte es dem Völkerbund an Sanktionsmacht gegen Verstöße gegen die Völkerbundsatzung und Beschlüsse konnten im Völkerbundrat nur einstimmig gefällt werden. Bei vier bis fünf ständigen und vier bis elf nicht-ständigen Mitgliedern war dies beinahe ein Ding der Unmöglichkeit (vgl. S. 43). Auch galt Krieg noch als legitimes Mittel, das lediglich durch ein relatives Kriegsverbot beschränkt wurde. Dieses sah vor, dass erst nach einer Frist von drei Monaten nach einer Entscheidung durch den Internationalen Gerichtshof, die seitens eines Staates nicht akzeptiert wurde, ein Krieg begonnen werden durfte.

Auch wenn der Völkerbund nicht funktioniert hat, war seine Existenz keineswegs ohne Bedeutung. Viel mehr wurden aus ihm sehr viele entscheidende Lehren gezogen, die heute die Vereinten Nationen prägen, die mittlerweile seit 76 Jahren existieren. Auch die Vereinten Nationen sind genauso wie der Völkerbund keine fehlerfreie Organisation. Doch das ist auch gar nicht möglich. Denn der Erfolg jeder Organisation ist letztlich geprägt von der Akzeptanz und dem Zutun ihrer Mitglieder (vgl. S. 44).

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