Deutschland und der Völkerbund

In diesem Beitrag stellt Dominik Saal folgenden Text vor:

Wintzer, Joachim (2019): Deutschlands Weg in den Völkerbund; in: Vereinte Nationen 6/2019, S. 250-255, online unter: https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2019/Heft_6_2019/04_Wintzer_VN_6-2019_Deutschlands_Weg_in_den_Voelkerbund.pdf.

„Als auf der Pariser Friedenskonferenz im Jahr 1919 über die Gründung eines Völkerbunds verhandelt wurde, blieb die deutsche Demokratie ausgeschlossen. Sie wurde Mitbegründerin des Völkerbunds, ohne Mitglied zu werden.“

Auch in den Jahren nach der Gründung der Vereinten Nationen blieben die beiden deutschen Staaten außen vor. Deutschland ist heutzutage ein besonders angesehener und aktiver politischer Akteur auf der internationalen Ebene. Diese Entwicklung ist besonders beachtlich, wenn man bedenkt, dass erst die von Kaiserreich und NS-Staat geführten Kriege zur Gründung von Völkerbund und Vereinten Nationen geführt haben. Wintzer beschreibt dies treffend mit dem Satz: „Weltfriedensorganisationen entstehen nach Weltkriegen“.

Ideenbringer für den Völkerbund waren 1917 die USA unter Präsident Wilson. Bereits während des Ersten Weltkriegs forderte er die Ausgestaltung einer gemeinschaftlichen Weltordnung mit einem System der kollektiven Sicherheit. 1918 sprach er sich schließlich für die Gründung eines Völkerbunds aus. Im Jahr 1919 war der Völkerbund Diskussionsgrundlage für die Friedensverträge von Paris. Deutschland als Kriegsverlierer war dabei an der Konferenz nicht beteiligt und hatte sich den Entscheidungen zu beugen.

Ein Ergebnis der Konferenz war, dass Deutschland den durch den Friedensvertrag gegründeten Völkerbund als weltweite Friedensorganisation anerkennen musste, ohne selbst Mitglied werden zu dürfen. Der schlussendlich beschlossene Versailler Vertrag war daher inhaltlich insbesondere durch die Satzung des Völkerbunds geprägt. Das Bemerkenswerte daran war die legislative Ratifikation der Statuten des Völkerbunds und aller zukünftigen Entscheidungen ohne eigene Mitgliedschaft Deutschlands. Ein sehr einseitiges Konstrukt. Die junge Weimarer Republik sollte sich nach dem Willen Frankreichs und der USA in den folgenden Jahren erst in einer „Probezeit“ beweisen und sich seine Aufnahme verdienen.

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung stand der Idee eines Völkerbunds grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings kippte die Stimmung durch die Verweigerung der Mitverhandlung und einer anschließenden Mitgliedschaft schnell in Ablehnung und Misstrauen. Der Völkerbund wurde mit dem Inkrafttreten des Friedensvertrags zwischen Deutschland und den Alliierten 1920 offiziell gegründet.

Ähnlich wie die Vereinten Nationen mit ihrem Sicherheitsrat heute, hatte der Völkerbund eine Vollversammlung und einen Völkerbundrat, der den internationalen Frieden sicherstellen sollte. Ständige Mitglieder im Völkerbundrat waren Frankreich, Großbritannien, Japan und Italien. Auch den USA hätte ein ständiger Platz zugestanden, jedoch verhinderte der amerikanische Senat die Ratifikation der Statuten der Vereinten Nationen und damit die eigene Mitgliedschaft.

Die beiden Nationen, die damit für die Gründung des Völkerbunds maßgeblich waren (Deutschland und USA), gehörten diesem anschließend nicht an. Die Weimarer Republik auf der einen Seite hatte alle Entscheidungen und Beschlüsse des Völkerbunds umzusetzen, ohne sich in Wort und Stimmrecht dagegen wehren zu können. Auf der anderen Seite schwächte das Fehlen der USA den Völkerbund von Beginn an und damit auch seine Idee der kollektiven Sicherheit.

Die sich immer weiter verbessernden politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Frankreich machten 1926 den Weg für den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund frei. Zudem erhielt Deutschland sogleich einen Platz als ständiges Mitglied im Völkerbundrat als „Reintegration der deutschen Demokratie in die Staatenwelt“.

Sieben Jahre später trat Deutschland unter dem NS-Regime wieder aus dem Völkerbund aus und in den Folgejahren wurden dessen Schwächen und Fehler immer offensichtlicher. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs hatte der Völkerbund schließlich jegliche Relevanz verloren.

Die Vereinten Nationen, als Nachfolgeorganisation 1945 gegründet, übernahm viele Eigenschaften des Völkerbunds (Vollversammlung, Sicherheitsrat mit ständigen Mitgliedern) und korrigierte gleichzeitig einige Fehler. Der Umstand, dass die Vereinten Nationen als erneuter Versuch einer „Weltfriedensorganisation“ insbesondere gegen das Unrecht des NS-Staats errichtet wurde, verzögerte die Aufnahme der beiden deutschen Staaten, letztlich auch aufgrund der deutsch-deutschen Differenzen, bis 1973.

Fazit: Vergleicht man die Anfänge von Völkerbund und Vereinten Nationen, so sind deutliche Parallelen erkennbar. Auch in Bezug auf die Aufnahme der Weimarer Republik in den Völkerbund sowie der BRD und DDR in die Vereinten Nationen gibt es Überschneidungen. Doch während 1926 die Weimarer Republik mit der Aufnahme auch sofort einen ständigen Sitz im Völkerbundrat erhielt, kämpft die wiedervereinigte Bundesrepublik, besonders seit den 2000er Jahren, für eine Reform des Sicherheitsrats und damit auch gleichzeitig für einen eigenen ständigen Sitz.

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