Gedanken zur Pflichtlektüre - Menschenrechte: Anti-Folter-Konvention

Speziell der Abschnitt zur Anti-Folter-Konvention warf bei mir einige Fragen auf, denn dass auch in diesem Jahrhundert Folter in den USA betrieben wurde, ist m.E. recht bekannt. Was bedeutet das aber für die Vereinten Nationen, wenn eines ihrer Gründungsmitglieder sich über sie hinwegsetzt?

Meine Erwartung an eine Recherche diesbezüglich war eine Vielzahl an kritischen Beiträgen, in denen die UN die USA für die Folter verurteilt und versucht zu sanktionieren. Mit den Stichwörtern "USA", "UN" und "Folter" gab es aber erstaunlich wenig dazu, alles was ich fand, waren einige Beiträge speziell zum Fall Chelsea Manning und ansonsten kritische Worte und die Forderung nach Strafverfolgung aufgrund des CIA-Folterberichts (https://www.tagesspiegel.de/politik/cia-folterbericht-in-den-usa-un-fordern-strafverfolgung-der-verantwortlichen/11097472.html), die meines Wissens nach noch aussteht bzw. US-intern untersucht wird.

Nun scheint Folter aber in den USA keine Ausnahme zu sein, die man nur auf wenige Schuldige innerhalb der CIA schieben kann. Stattdessen gilt sie nach wie vor selbst auf Regierungsebene für Viele als vertretbar. Erst 2008 konnte der damalige Präsident Bush das Verbot von Folter durch ein Veto verhindern. Das drückt also eindeutig aus, dass die USA Folter ganz offiziell erlaubt (https://www.welt.de/politik/article1791280/Waterboarding-bleibt-in-den-USA-erlaubt.html).

In der Pflichtlektüre heißt es: "Die Konvention verpflichtet in den detaillierten Bestimmungen
ihres ersten Teiles alle Vertragsstaaten, wirksame gesetzgeberische Maßnahmen
zur Beseitigung der Folter zu ergreifen und schließt dabei jegliche „außergewöhnlichen
Umstände“ wie Krieg oder innerstaatliche Instabilität als Rechtfertigungsgründe
ebenso aus wie die Berufung auf einen Befehlsnotstand." Das scheint bei den USA aber nicht angekommen zu sein, denn diese sieht die Bedrohung durch ausländischen Terrorismus nach wie vor als Rechtfertigung für Folter. Die Reaktion seitens der UN? Nichts nennenswertes.

In einem Artikel vom Spiegel von 2014 (https://www.spiegel.de/politik/ausland/folter-usa-untersuchungsbericht-birgt-risiken-fuer-usa-a-1007355.html) werden Folgen genannt, die die USA fürchten, sollte der CIA-Folterbericht erscheinen. Hierbei werden einige Punkte genannt, doch einen habe ich schmerzlich vermisst: die Furcht vor der Reaktion der Vereinten Nationen. Könnte man hier annehmen, die USA würden die Vereinten Nationen nicht ernst nehmen? 

Schließlich fand ich einen weiteren schockierenden Zeit-Artikel, laut dem sich Präsident Trump positiv gegenüber Folter geäußert habe und diese als effektives Mittel bennent, das man im Kampf gegen Terrorismus einsetzen sollte (https://www.zeit.de/politik/ausland/2017-01/usa-donald-trump-folter-cia). Spätestens nach diesem Artikel ist für mich völlig klar, dass die USA vermutlich nicht einmal einen Gedanken an die Vereinten Nationen verschwendet, anders kann ich mir nicht erklären, wie solche Haltungen ganz öffentlich in Interviews von Präsidenten bzw. Präsidentschaftskandidaten vertreten werden können. 

Die USA foltert also über Jahrzehnte hinweg und gibt sich teilweise nicht einmal Mühe, das zu verbergen. Was genau bedeutet das aber für die Vereinten Nationen? Ich sehe hier die Gefahr der politischen Willkür. Die USA haben das "Glück", dass sie ein ständiges Mitglied im Sicherheitsrat sind und ein Vetorecht besitzen. Doch wie sollen die Vereinten Nationen jemals ihren Zweck erfüllen, wenn man mit einem Vetorecht die Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land unterbinden kann? Und was für ein Bild wirft das auf die Vereinten Nationen, wenn solche Unterschiede bei der Behandlung von Menschenrechtsverletzungen auftreten können? Ein Mitglied, das kein Vetorecht hat, kann sanktioniert werden, die UN würde Folter nicht dulden und würde für eine Untersuchung sorgen mit entsprechenden Konsequenzen. Kann man also mit einem Vetorecht völlig willkürlich alle Beschlüsse der Vereinten Nationen brechen? Bzw.: wo ist die Grenze? 

Ich empfinde die aktuelle Situation fast schon als absurd und frage mich, ob nicht genau solche Probleme den Fortschritt der Vereinten Nationen aufhalten. Die Vereinten Nationen sind - wie wir bereits gelernt haben - stark von der Freiwilligkeit abhängig, sie hat nicht wirklich viele Möglichkeiten, ihre Beschlüsse durchzusetzen. Doch - ohne die wichtigen Errungenschaften der Vereinten Nationen schmälern zu wollen - macht das die Arbeit der Vereinten Nationen nicht ein wenig lächerlich?

Dieses Beispiel bestärkt mich in der Annahme, dass die Vereinten Nationen dringend reformiert werden müssen! Und zwar in eine Richtung, in der man das Vetorecht aushebeln kann, wenn es um eine Verletzung der Charta geht. Sicherlich sind auch andere Mitgliedstaaten daran interessiert, dass die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates nicht anders behandelt werden als sie selbst und ich sehe es als dringend notwendig, mit einem Mehrheitsbeschluss dafür zu sorgen, dass das Vetorecht bei Situationen, die in den eigenen Staatsgrenzen auftreten, erlischt.

Die Vereinten Nationen tragen nicht unbedingt zu ihrer Legitimation bei, wenn sie solch eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Mitgliedern erlaubt. Wenn die Vereinten Nationen Folter verbieten, dann müssen sie die Möglichkeit haben, sie überall zu sanktionieren, nicht nur in Staaten, die kein Vetorecht besitzen. Ansonsten begeben wir uns schnell auf einen Pfad der Willkür bzw. haben diesen schon teilweise beschritten.

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