Wie kann Friedenssicherung im Rahmen der UN funktionieren? - Gedanken zur Lektüre der Sitzung Friedenssicherung (I)

Wie es zu Frieden kommt, ist eine der grundlegenden Fragen der Internationalen Beziehungen. Die Theorie des Realismus stellt dafür Staaten und deren Machtverhältnisse ins Zentrum, die sich auch im Rahmen der UN bemerkbar machen. So bezieht sich ein Teil der Kritik an der Legitimität des UNO-Sicherheitsrats darauf, dass die Auswahl der ständigen Mitglieder die Machtverhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg darstellen, die nicht mehr aktuell sind (vgl. Gareis / Varwick 2014: 118).

Während ich den Teil der Lektüre zu den Kapiteln VI und VII der Charta der Vereinten Nationen las, stellte ich mir die Frage, was nötig wäre, damit Friedenssicherung mit dem vorhandenen Instrumentarium funktionieren kann. Besonders, wenn Sanktionen oder gar militärisches Eingreifen vermieden werden soll. Diesen Gedankengang, der vor allem Grundsätzen des Realismus folgte, möchte ich hier darlegen und somit zur Diskussion stellen.

Aus realistischer Sicht ist die UNO im allgemeinen eine schwache Institution. Sie besteht nur aufgrund des good wills der Mitgliedsstaaten. Diese Problematik spiegelt sich auch in den Artikeln von Kapitel VI der Charta wider. Die Institutionen sollen vor allem als Mediator dienen und extrinsische Anreize schaffen, Konflikte friedlich zu lösen.

Nehmen wir zum Beispiel den Internationalen Gerichtshof. Damit dieser aktiv werden kann, müssen alle am Streit beteiligten Staaten an seiner Mediation interessiert sein. Wenn dies passiert, besteht offenkundig schon ein wesentliches Interesse an einer friedlichen Beilegung des bestehenden Streits. Das wirft die Frage auf, ob ein neutraler Mediator dann überhaupt noch benötigt wird. Wie können aber Staaten im Streit, bei denen dieses wesentliche Interesse eben noch nicht besteht, ohne eine Anwendung von Sanktionen nach Kapitel VI oder VII der UN-Charta dazu gebracht werden, sich einem Schiedsgericht wie dem IGH zu stellen?

Meine Antwort darauf lautet Soft Power: Wenn Empfehlungen von Institutionen der Vereinten Nationen, wie zum Beispiel dem IGH, ein weltweit akzeptiertes großes Gewicht besitzen, werden Staaten Mediatoren annehmen, ohne dazu verpflichtet zu sein. Dazu müssten dem IGH allerdings die Rechte eingeräumt werden, solche Empfehlungen zu einer Mediation auszusprechen.

Die Vorstellung ist die, dass bei einer zwischenstaatlichen, wenn nicht sogar innerstaatlichen Streitsituation, in der die Lebensumstände vieler Menschen betroffen sind, der IGH eine Empfehlung zu einer Mediation ausspricht. Die betroffenen Akteure bemühen sich daraufhin selbst um ein Mediationsverfahren, da sie die Autorität des IGH anerkennen. Sie werden nicht durch Sanktionen dazu gezwungen oder durch Eingriffe in ihre Souveränität dazu gebracht, sondern folgen lediglich dem Rat einer respektierten Institution. Die Entscheidungsmacht liegt immer noch voll und ganz bei ihnen.
Der Sitz des IGH in Den Haag ursprünglich hochgeladen von Yeu Ninje auf en.wikipedia. / Public domain
Doch zurück auf den Boden der Wirklichkeit. Damit Staaten solchen Empfehlungen wirklich Folge leisten, sich der Mediation stellen und das Ergebnis daraus akzeptieren und einhalten, müsste die Soft Power der UNO fasst schon der einer Religion entsprechen. In einer Zeit, in der die UNO im allgemeinen als machtlos gilt und sich selbst in einer Krise wie der Covid19-Krise Widerstandsbegungen gegen die Empfehlungen der WHO bilden, wirkt eine solche Vorstellung unwahrscheinlich. Liegt der praktikablere Weg vielleicht doch darin, die Souveränität der Staaten aufzuweichen und dem IGH und dem UNO-Sicherheitsrat stärkere supranationale Instrumentarien an die Hand zu geben, wie es Gareis und Varwick vorschlagen?

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