Astrid Lindgren

Biographie


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„Über den Frieden sprechen heißt ja über etwas sprechen, was es nicht gibt.“ Mit diesem Satz leitete Astrid Lindgren, geb. Ericsson 1978 ihre Dankesrede zu Verleihung des Friedenspreis des deutschen Buchhandels ein.

Als erste Kinderbuchautorin wurde sie mit diesem Preis geehrt. Auch heute noch ist Lindgren weltweit, wie kaum eine Kinderbuchautorin für ihre Werke bekannt. Weniger bekannt ist ihr gesellschaftspolitisches Engagement, gerade für Kinderrechte hat sich die 1907 geborene Schwedin sehr eingesetzt. Dieses Interesse liegt genau so in ihrem Lebensweg begründet, wie einige der Charaktere und Motive ihrer Bücher.

Als zweites von vier Kindern wächst sie in einem schwedischen Dorf nahe der Kleinstadt Vimmerby auf. Später beschreibt Lindgren ihre Kindheit als besondere Epoche, deren Leichtigkeit sie in ihrem weiteren Leben vermisste. Das liegt unter anderem an den Freiheiten, die ihre Eltern den Kindern auf dem heimischen Bauernhof gewähren. Rückblickend verarbeitet sie ihre frühe Kindheit als Idealvorstellung des Aufwachens in einigen ihrer Werke beispielhaft in „Wir Kinder aus Bullerbü“ oder „Michel aus Lönneberga“. Sie selbst bezeichnet diese Epoche bis zu ihrer Pubertät als besonders schöne „Pferdekutschenzeit“ ohne Elektrizität und digitale Medien.

Besonders sprachlich ist Astrid Ericsson sehr begabt. Untypisch für Mädchen in dieser Zeit besucht sie eine weiterführende Schule, da ihren Eltern die Bildung der Kinder am Herzen liegt. Dank ihres Könnens bekommt sie nach ihrem Mittelschulabschluss ein Volontariat beim „Vimmerby Tidningen“ angeboten. Mit ihrem Chef, dem einzigen Redakteur der Zeitung, beginnt sie ein Verhältnis. Mit 18 Jahren wird sie schwanger, was in der damaligen, streng konservativen Zeit ein Skandal ist. Nach damaligen Gesetzen ist sie noch minderjährig, auch ein außereheliches Kind mit einem verheirateten Mann steht zu dieser Zeit noch unter Strafe weswegen sie das Idyll ihrer Kindheit verlässt und ihren Sohn Lars in Dänemark zur Welt bringt. Dort gibt es die einzige Klinik in Skandinavien, in der der Vater des Kindes nicht in ein Geburtenregister eingetragen wird. In Kopenhagen kommt ihr Sohn für seine ersten Lebensjahre auch bei einer Gastmutter unter.

Da Astrid Ericcson nicht mehr in das Dorf ihrer Eltern zurückkehren kann, beginnt sie in Stockholm eine Ausbildung zur Sekretärin. Ihr großes Ziel ist es, selbst für ihren Sohn sorgen zu können. So oft sie es sich leisten kann, besucht sie ihr Kind. Als die Pflegemutter erkrankt, holt sie den dreijährigen Lars zu sich nach Stockholm. Ihre Eltern erkennen, dass Astrid sich nicht selbstständig um ihren Sohn und den Unterhalt kümmern kann und holen Lars zu sich, nachdem er im Winter an Keuchhusten erkrankt war.


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Mittlerweile arbeitet sie als Sekretärin beim königlichen schwedischen Automobilclub und lernt dort Sture Lindgren kennen, den sie später heiratet. Damit verbessert sich auch ihre finanzielle Situation und sie kann ihren Sohn endlich zu sich holen. Ihre gemeinsame Tochter Karin kommt drei Jahre später zur Welt. Sie gibt ihrer Mutter später den Impuls, ihr bekanntestes Werk Pippi Langstrumpf zu schreiben. Das später aufgeschriebene Manuskript um die Abenteuer der jungen Pippi bedienen sich unter anderem mehrerer Kindheitsfreunde von Astrid Lindgren und auch Aspekte ihrer Vorstellung von Kindheit sind zu finden. Da sie sich wohl der Brisanz ihrer Geschichte bewusst ist, sendet sie diese mit der Notiz „In der Hoffnung, dass Sie nicht das Jugendamt verständigen, denn schließlich habe ich ja selbst zwei Kinder, und wer weiß, was aus denen wird – mit einer Mutter, die solche Bücher schreibt!“ an einen renommierten schwedischen Kinderbuchverlag. Aus Angst, das Buch könnte kleine Kinder zu Dummheiten anstiften, wird es zunächst abgelehnt, nachdem ein anderes ihrer Manuskripte veröffentlicht wird, gewinnt sie mit Pippi Langstrumpf einen Preis. Ein Jahr später, 1945, wird das Werk veröffentlicht und ist direkt ein, wenn auch umstrittener, Erfolg.

In den folgenden Jahren veröffentlicht Astrid Lindgren weitere Kinderbücher, die in viele Sprachen übersetzt werden und mehrere Preise gewinnen. Nicht nur in Kinderbüchern hat ihre Stimme Gewicht. Im März 1976 veröffentlicht sie das Märchen „Pomperipossa i Monismanien“ in dem sie auf ironische Weise bemängelt, dass sie auf ihre Einnahmen 102% Steuern zahlen muss. Auf Grund der darauf entstehenden Debatte verlor die sozialdemokratische Partei in Schweden das erste Mal nach dem zweiten Weltkrieg eine Reichstagswahl.

Astrid Lindgren nutzt ihre Bekanntheit, die sie durch ihre Kinderbücher erlangt um sich für das einzusetzen, was ihr wichtig war, unter anderem Kinder. Blickt man auf ihre Biographie, dann ist verständlich, warum diese Themen sie so beschäftigen. Das frühe Ende ihrer eigenen Kindheit, durch die Schwangerschaft und das lange getrennt sein von ihrem eigenen Kind, sind einschneidende Erlebnisse.

Zwei Jahre später bekommt Astrid Lindgren als erste Kinderbuchautorin den Friedenspreis des deutschen Buchhandels verliehen. In ihrer Rede „Niemals Gewalt“ kritisiert sie gewalthaltige Erziehungsmethoden scharf und mahnt, dass eine friedliche Welt nur dann möglich sei, wenn die in ihr lebende Generation ohne Gewalt aufwächst. Die Rede ist auch beim anwesenden Publikum umstritten. Gewalt in der Kindererziehung wird erst im November 2000 in Deutschland verboten.

1989 verabschieden die Vereinten Nationen die UN Kinderrechtskonvention in der die Rechte von Kinder deklariert werden. Natürlich auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Damit wird der Grundsatz verstärkt, dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt werden sollten, auch Kinder!

Lindgrens Einsatz und ihre Einstellung zu der Gleichwertigkeit und Vollwertigkeit von Kindern ist somit absolut ihrer Zeit voraus. Sie sieht in den Kindern die Zukunft dieser Welt. Nur durch Sie könnte es irgendwann Frieden geben. So endet ihre bekannte Rede mit den Worten: „Niemals Gewalt! Es könnte trotz allem mit der Zeit ein winziger Beitrag sein zum Frieden in der Welt.“ 

Literatur

Cromme, Gabriele (2005): Astrid Lindgren und die Autokratie der Weiblichkeit. Literarische Darstellung von Frauen und Mädchen in ihrem Gesamtwerk. 2.Auflage. Hamburg: Verlag Dr. Kovac

Favilli, Elena u. Cavallo, Francesca (2017): Good Night Stories for Rebel Girls. 10. Auflage. München: Carl Hanser Verlag

Gottschalk, Maren (2006): Jenseits von Bullerbü, die Lebensgeschichte der Astrid Lindgren. Weinheim Basel: Beltz

Lindgren, Astrid (2002): Das entschwundene Land. Vollständige Neuauflage. München: dtv.

Lindgren, Astrid (2017): Niemals Gewalt!. Hamburg: Oettineger

Schönfeld, Gräfin Sybil (2007): Astrid Lindgren. 2. Überarbeitete Auflage. Hamburg: Rowohlt 

Links

Kindgerechte Zusammenfassung des Lebens von Astrid Lindgren: https://www.geo.de/geolino/mensch/astrid-lindgren-autorin-leben-werk

(pdf) Rede und Laudatio der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels: www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/sixcms/media.php/1290/1978_lindgren.pdf 

Videos

Videoausschnitt zu ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises, des Deutschen Buchhandels: https://www.youtube.com/watch?v=FqnFPrQ3uyI

Videoausschnitt aus ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises, des Deutschen Buchhandels (Kurzfassung): https://www.youtube.com/watch?v=Rp0UksZ2wpg

Kurzfilm der Erzählung Lindgrens zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels https://www.youtube.com/watch?v=A4zO1yVvLJM

Kindgerechter Radiobeitrag des WDR, anlässlich ihres 110 Geburtstages. Es können auch Ausschnitte genutzt werden: https://www.youtube.com/watch?v=ekqQPxCudnc

Biographische Dokumentation über das Leben von Astrid Lindgren: https://www.youtube.com/watch?v=Y3N96hQH7TU

Trailer zum Kinofilm „Astrid“, der sich mit Kindheit, Jugend und frühen Erwachsenenzeit auseinandersetzt: https://www.youtube.com/watch?v=dvJiuUJnGBg

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